
In der therapeutischen Arbeit mit dem Medium Boxen spielt der Konter – also der gezielte Schlag nach einer Meidbewegung oder Abwehr – eine zentrale Rolle. Denn weit über die rein sportliche Technik hinaus geht es hier um das Wiedererlangen von Handlungsfähigkeit in belastenden, potenziell überwältigenden Situationen.
In psychologisch belastenden Momenten erleben viele Menschen einen sogenannten „Freeze“-Zustand. Der Körper erstarrt, der Geist zieht sich zurück – eine uralte Schutzreaktion, die jedoch in vielen modernen Situationen nicht mehr hilfreich ist. Besonders Menschen mit Traumafolgestörungen oder Angststörungen kennen diesen Zustand gut: Der Wunsch zu reagieren ist da, aber es scheint, als wäre der Körper blockiert. Genau hier setzt die therapeutische Konter-Übung an.
Zunächst übt der oder die Klient*in das Meiden, also eine kontrollierte Bewegung aus einer Bedrohungssituation heraus – sei es durch Ducken, Zurückweichen oder Rollen. Doch statt in der Defensive zu verharren, folgt nun ein bewusster Schritt zurück in die Aktivität: der Konter. Der Körper lernt, nicht nur passiv zu reagieren, sondern im Anschluss selbst aktiv zu werden. Diese Bewegung kann symbolisch wie körperlich hochwirksam sein – sie steht für das Zurückgewinnen von Einfluss, Selbstwirksamkeit und innerer Stärke.
Das gezielte Kontern fordert zudem Fokus, Körperwahrnehmung und emotionale Regulation. Der oder die Klient*in muss wach bleiben, Entscheidungen treffen, handeln. In einem geschützten Setting wie der therapeutischen Boxarbeit entsteht so ein Raum, in dem neue Handlungsstrategien entwickelt und erprobt werden können – körperlich und mental. Die Erfahrung, aus einer Bedrohung nicht nur entkommen, sondern auch zurückschlagen zu können – im übertragenen Sinn – wirkt tief.
Therapeutisches Boxen fördert somit nicht nur Kraft, Koordination und Reaktion, sondern auch Resilienz. Wer kontern kann, erlebt sich nicht mehr als Opfer äußerer Umstände, sondern als aktiver Gestalter eigener Grenzen und Entscheidungen. Und das macht den Konter zu weit mehr als einem Schlag – es macht ihn zu einem Schritt zurück in die eigene Autonomie.